Ein Jahr in den USA mit AFS
Mein Name ist Linus und ich besuche im Schuljahr 2018/19 den zwölften Jahrgang der Leibnizschule. Im Schuljahr 2016/17 hatte ich das Glück, zwischen der zehnten Klasse und der Oberstufe ein Auslandsjahr einschieben zu können, das ich in den Vereinigten Staaten von Amerika verbrachte. Dadurch, dass ich das Jahr „erst“ nach der zehnten Klasse gemacht habe, verpasste ich leider die Möglichkeit, das Schuljahr in Deutschland zu überspringen und musste somit in den Jahrgang unter mir wechseln, da die Zensuren der gesamten Oberstufe mit in das Abitur zählen. Heute ist es allerdings dank G9 (in der Regel) möglich, auch während der elften Klasse zu verreisen, ohne sie wiederholen zu müssen, da nun Klasse 12 und 13 die abiturrelevanten Jahre sind. Hierfür wäre allerdings eine „Springer“-Bemerkung am Ende der zehnten Klasse hilfreich.
Die Erfahrung zählt
Für mich gibt es sehr viele Gründe, weshalb ein Auslandsjahr sinnvoll ist. Offensichtlich ist natürlich die Festigung einer Fremdsprache. Aber auch das intensive Erleben einer anderen Kultur, der Umgang mit vielen neuen Herausforderungen und die daraus resultierende Stärkung des Selbstbewusstseins und der Selbstständigkeit sind wichtige Vorteile. Die Erfahrung, in einen völlig anderen Teil der Welt geworfen zu werden und ein Jahr lang nur mit Menschen zu leben, die man vorher noch nicht kannte, ist einzigartig. Alles, was man daraus mitnimmt ist sehr schwer in diesem Ausmaß zu erlangen, wenn man die Erfahrung nicht gemacht hat. Auch Arbeitgeber sind sich dessen bewusst, und deshalb sieht ein derartiger Auslandsaufenthalt auf dem Lebenslauf sehr gut aus. Viele Unternehmen suchen bei ihren Angestellten genau die Fähigkeiten, die mit einem Auslandsjahr gestärkt werden.
Frühzeitig informieren und geeignete Organisation finden
Wenn man vorhat, ins Ausland zu gehen, gibt es einige Dinge, die zu beachten sind. Generell ist es gut, sich frühzeitig zu informieren, damit man den für sich optimalen Zeitpunkt nicht aufgrund irgendwelcher Anmeldefristen verpasst. Einen wichtigen Punkt stellt die Auswahl einer geeigneten Organisation dar. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es sinnvoll ist, eine gemeinnützige Organisation zu wählen. In Deutschland haben sich einige dieser Organisationen zum „Arbeitskreis gemeinnütziger Jugendaustausch“ (AJA) zusammengeschlossen. Die Mitglieder dieses Verbandes haben nicht zum Ziel, wie kommerzielle Unternehmen, Profit aus den Auslandsreisen zu ziehen. Dies hat zur Folge, dass fast ausschließlich ehrenamtliche Mitarbeiter beschäftigt und die Finanzen sehr transparent sind. Man kann also nachvollziehen, wo jeder Cent der Kosten für das Auslandsjahr hingeht. Bekannte Vertreter des AJA sind zum Beispiel YFU, AFS und der Rotary Jugendverband. Sie alle haben zum Ziel, durch bildungsorientierte Jugendaustausche interkulturelles Lernen, Verständigung, Offenheit und Respekt zu fördern.
Ich persönlich habe mich, wie auch schon andere Schüler der Leibnizschule, für die Organisation AFS entschieden. Diese wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als „American Field Service“ in den USA gegründet und hatte zum Ziel, durch interkulturelle Verständigung zwischen amerikanischen und deutschen Jugendlichen langfristig für Frieden zu sorgen und so etwas wie einen weiteren Weltkrieg zu verhindern. Wenn man Freunde in einem anderen Staat hat, ist es unwahrscheinlicher einen Konflikt mit diesem zu unterstützen. Heute bietet AFS mit weltweit über 40.000 Ehrenamtlichen Schüleraustausche in 60 Ländern auf fünf Kontinenten an.
Insgesamt war die Erfahrung des Auslandsjahrs für mich extrem wertvoll. Auch, dass ich das Jahr „eingeschoben“ und somit ein Jahr länger Schule habe, war es mir definitiv wert. Wenn man bedenkt, dass viele Abiturienten sich vor dem Studium sowieso ein Jahr Zeit nehmen, um zum Beispiel zu reisen, ist es eine gute Alternative, stattdessen die Auslandserfahrung schon während der Schulzeit zu machen und somit schon in der Oberstufe von dem Gelernten zu profitieren.
Mehr als Amerika – sei offen für alternative Ziele
Das einzige, was ich im Nachhinein anders gemacht hätte, wäre die Auswahl meines Gastlandes. Mir war von Anfang an klar, dass ich in die USA wollte. Ich war gegenüber anderen Ländern ziemlich verschlossen. Dies lag vor allem an meinen Urlaubserfahrungen und dem generellen Bild von der amerikanischen Kultur, das wir in Deutschland aufgrund von Hollywood-Filmen etc. haben. Über das Jahr hinweg ist mir immer mehr bewusst geworden, dass in einem Land zu leben etwas ganz anderes bedeutet als dort Urlaub zu machen. Irgendwann hat man einen gewohnten Alltag und der ist dann im Durchschnitt nicht unbedingt viel besser als in Deutschland. Man wird nicht bloß aufgrund des Wohnortes viel glücklicher und bekommt ein perfektes Leben, wie im Urlaub oder im Film. Somit hätte ich, in der Rückschau betrachtet, die einmalige Chance lieber genutzt, um eine für mich weniger bekannte Kultur zu erleben und vor allem eine Sprache fließend zu sprechen, von der ich vorher noch gar keine Kenntnisse hatte.
Ich will von den USA auf keinen Fall abraten, aber ich denke dass viele deutsche Schüler, so wie ich, sich gerne auf ein Land festlegen, ohne über Alternativen nachzudenken. Dazu möchte ich hingegen ermutigen. Es ist extrem cool zum Beispiel Spanisch, Französisch, Portugiesisch, Italienisch oder Norwegisch fließend zu sprechen, wenn man vor dem Jahr noch kein einziges Wort konnte.
Falls du Fragen an mich hast, wende dich gerne an Herrn Manthey, den Ansprechpartner für Schüleraustausche an der Leibnizschule (E-Mail). Er vermittelt den Kontakt zu mir.